Regie.............................................................. Susanne Truckenbrodt
   
Spielerinnen.................................................. Antje Görner, Kathleen Monden, Milena Maria Dreißig, Cornelia Fleck, Sabine Grabis, Rahel Savoldelli, Vanessa Troya
   
Dramaturgie.................................................. Peggy Mädler
Regieassistenz/Ton.................................... Christin Eckart
Bühne............................................................. Orphtheater
Kostüm........................................................... Susanne Pliet, Sandra Sperhake
Assistenz....................................................... Alice Scheidemann
Licht................................................................ Henning Streck
Assistenz........................................................ Stefan Wolf
Musik Daniel Dorsch u. a.
Film................................................................. Magdalena Zlotos
Technik........................................................... Matthias Schäfer
Presse............................................................ Eva-Karen Tittmann
Fotos............................................................... Marcus Lieberenz
 
Während eines Arbeitsaufenthaltes auf schloss broellin entstand im Rahmen der Produktion ein 10 min. Kurzfilm: "Lilith am toten Meer".
   

Sie ist alles und nichts: erste Frau Adams, geflügelter Dämon der Nacht, Eselsfrau, Königin von Saba, Windgeist, Kindesmörderin, Lebensschöpferin, Frau des Teufels und Gemahlin Gottes, der nächtliche Samenerguß eines Mannes, Mondfrau, ein Vampir mit feurigem Unterleib. Lilith erzählt sich nicht über eine lineare mythologische Geschichte, sie besteht vielmehr aus gebrochenen Mosaikstückchen. In ihrer Verwandlungsfähigkeit ist die Erfahrung des Abschiednehmens dunkel eingeschrieben; stirbt Lilith in der einen Gestalt und fällt der Vergessenheit anheim, erfindet sie sich eine neue Gestalt. Sie ist das Interpretationsfeld für Polaritäten, Symbol für die Vereinigung von Leben und Tod, von Verführung und Schrecken, von Katastrophe und dem immerwährenden Neubeginn. Sie ist der Anfang und das Ende des Tages.

Sieben Schauspielerinnen balancieren auf einem schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Sie erinnern an das Dasein von Trauer und Aufbegehren, Abschied und Neubeginn, Lust und Verfall. Der Schmerz um den Verlust des Lebendigen verweist immer auch auf die Schönheit all dessen, was in unabänderlicher Konsequenz eines Tages aufhört.

In Samuel Becketts "Flötentöne" klingen einfache und einverstandene Abschiedsworte. Die Texte eines alten Mannes werden den jungen Frauen in den Mund gelegt und winden sich darin. Im Wegwerfen, Weglachen, Wegschreien und Wegsingen der Worte liegt Jugend und notwendiger Widerspruch, in manchem Flüstern aber auch die Erfahrung, daß Vergänglichkeit im Leben beginnt.

In der Zusammenführung von tänzerischen und theatralen Mitteln entsteht eine eigenwillige Verknüpfung von körperlichem, sprachlichem, gestischem und mimischem Material. Die Schauspielerinnen sind dabei nicht Trägerinnen einer Rolle, sondern Trägerinnen von Ereignissen, Facetten und Phänomenen. Die Entpersonifizierung jeder einzelnen führt sie in die Kargheit archetypischer emotionaler Seinszustände zurück. Die Bildkraft des Körpers wird in einfachen Haltungen und Bewegungen komprimiert, der Tanz beginnt bereits im Heben der Hand. Das kauernde Mädchen erhebt sich zum Fliegen und fällt erschreckt vom Möwenschrei als Krähe auf den Boden zurück.

Die unzähligen kleinen Tode im Leben erzählen von der kurzen Begegnung mit dem Nichts vor einem jeden Neuanfang. Lilith stand am toten Meer und ihr war alles möglich.

 

 

PRESSESTIMMEN
Eine schwer auszuhaltende Sehnsucht stellt sich ein, wenn man aus dem Theater entlassen wird. So warm und sanft ist einem selten mitgeteilt worden, wie kalt und brutal es zugeht.
Berliner Zeitung, 1./2. 12. 2001, Ulrich Seidler

Die sieben wundersamen Schauspielerinnen wiegen sich und wogen und zaubern Landschaften auf das schwarze Linoleum des Orphtheaters, die von wahrhaftiger Schönheit sind, weil sie von Anfängen erzählen – von der Kindheit, vom ersten Verliebtsein – in denen immer schon das Ende und die Trauer darüber enthalten sind.

Das Leitmotiv dieser mit Bewegungstheater treffend umschriebenen Vorführung ist der Satz Samuel Becketts, man solle sich doch einfach mal vorstellen, dies alles ende eines schönen Tages. Man möchte sich das aber gar nicht vorstellen: Die sieben Liliths könnten noch tagelang am Toten Meer spielen.
Der Tagesspiegel, 4. 12. 2001, Philipp Lichterbeck

Sehnsucht verschwenden. Leidenschaftliche Leitfäden ohne lineare Geschichten, Frauen in blauen Unterröcken: Das Orphtheater zeigt "Lilith am toten Meer", eine reduzierte, doppelbödige Trauerfuge.

"Lilith am toten Meer" ist nur die logische Fortsetzung dieser orphischen Linie. Dennoch ist die jüngste Arbeit wieder anders gestrickt. Diesmal stehen sieben Frauen in blauen Unterröcken auf der niedrigen Bühne und geben eine "tanz.theater.performance". Eine lineare Geschichte wird nicht erzählt. Der eineinhalbstündige Abend will ein emotionales Spannungsfeld erzeugen, das Bühne wie Zuschauerraum in einen Strudel aus Sehnsucht und Niedergang treibt. Eine Trauerfuge, die auch Ausbrüche schneidender Komik kennt. Die mythische Figur der Lilith ist dabei nur der Anlass, um in ein traurigfrohes Spiel über Tod, Liebe und Verlust zu gelangen. Kronzeugen dieses energiegeladenen Malstromes sind Meister der Reduktion. Arvo Pärt hat für die kongeniale Bühnenmusik von Daniel Dorsch Pate gestanden, Anselm Kiefer und seine Lilith-Arbeiten für den Grundgestus der Inszenierung und Samuel Beckett für das sparsam eingesetzte Wortmaterial. Vor allem Becketts Langgedicht "Flötentöne" hat die Richtung vorgegeben.
die tageszeitung, 29. 11. 2001, Dirk Pilz

Abschied, dieses so leicht dahingesagte und so bös nachklappernde Wort, muß nicht nur für traurige Trennungen und schmerzhafte biographische Brüche stehen. Abschiednehmen kann auch eine Kunst sein: in den Sparten Verwandlung, Entwicklung, Neubeginn zum Beispiel.

"Stell dir vor / wenn eines Tages / eines schönen Tages dies / aufhörte", rufen sie, unbeschwert manchmal oder auch angstvoll düster, auf schwyzerdütsch oder bayrisch. Diese lakonischen Zeilen aus Samuel Becketts Gedichtband "Mirlitonnades" (Flötentöne) bilden das inhaltliche Rückgrat der Inszenierung, drei romantisch-elegische Kompositionen von Arvo Pärt ihr Herz, das die Lilith-Gestalten zu stets neuen Kunstfertigkeiten zwischen Geburt und Tod antreibt.

"Traum ohne Enden" ist das radikale ästhetische Leitmotiv der Aufführung wie die Matrix im Bewegungsrepertoire des Lilith-Ensembles. Susanne Truckenbrodts Vision einer polymorph komplexen Weiblichkeit hat viele Füße, um überall gleichzeitig sein zu können, und viele Köpfe, um möglichst weit über den Tellerrand des Üblichen schauen zu können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. 12. 2001, Irene Bazinger