PRESSESTIMMEN
Eine schwer auszuhaltende Sehnsucht stellt sich ein, wenn man aus dem
Theater entlassen wird. So warm und sanft ist einem selten mitgeteilt
worden, wie kalt und brutal es zugeht.
Berliner Zeitung, 1./2. 12. 2001, Ulrich
Seidler
Die sieben wundersamen
Schauspielerinnen wiegen sich und wogen und zaubern Landschaften auf das
schwarze Linoleum des Orphtheaters, die von wahrhaftiger Schönheit
sind, weil sie von Anfängen erzählen von der Kindheit,
vom ersten Verliebtsein in denen immer schon das Ende und die Trauer
darüber enthalten sind.
Das Leitmotiv dieser mit Bewegungstheater treffend umschriebenen Vorführung
ist der Satz Samuel Becketts, man solle sich doch einfach mal vorstellen,
dies alles ende eines schönen Tages. Man möchte sich das aber
gar nicht vorstellen: Die sieben Liliths könnten noch tagelang am
Toten Meer spielen.
Der Tagesspiegel, 4. 12. 2001, Philipp
Lichterbeck
Sehnsucht verschwenden.
Leidenschaftliche Leitfäden ohne lineare Geschichten, Frauen in blauen
Unterröcken: Das Orphtheater zeigt "Lilith am toten Meer",
eine reduzierte, doppelbödige Trauerfuge.
"Lilith am toten Meer" ist nur die logische Fortsetzung dieser
orphischen Linie. Dennoch ist die jüngste Arbeit wieder anders gestrickt.
Diesmal stehen sieben Frauen in blauen Unterröcken auf der niedrigen
Bühne und geben eine "tanz.theater.performance". Eine lineare
Geschichte wird nicht erzählt. Der eineinhalbstündige Abend
will ein emotionales Spannungsfeld erzeugen, das Bühne wie Zuschauerraum
in einen Strudel aus Sehnsucht und Niedergang treibt. Eine Trauerfuge,
die auch Ausbrüche schneidender Komik kennt. Die mythische Figur
der Lilith ist dabei nur der Anlass, um in ein traurigfrohes Spiel über
Tod, Liebe und Verlust zu gelangen. Kronzeugen dieses energiegeladenen
Malstromes sind Meister der Reduktion. Arvo Pärt hat für die
kongeniale Bühnenmusik von Daniel Dorsch Pate gestanden, Anselm Kiefer
und seine Lilith-Arbeiten für den Grundgestus der Inszenierung und
Samuel Beckett für das sparsam eingesetzte Wortmaterial. Vor allem
Becketts Langgedicht "Flötentöne" hat die Richtung
vorgegeben.
die tageszeitung, 29. 11. 2001, Dirk
Pilz
Abschied, dieses so
leicht dahingesagte und so bös nachklappernde Wort, muß nicht
nur für traurige Trennungen und schmerzhafte biographische Brüche
stehen. Abschiednehmen kann auch eine Kunst sein: in den Sparten Verwandlung,
Entwicklung, Neubeginn zum Beispiel.
"Stell dir vor / wenn eines Tages / eines schönen Tages dies
/ aufhörte", rufen sie, unbeschwert manchmal oder auch angstvoll
düster, auf schwyzerdütsch oder bayrisch. Diese lakonischen
Zeilen aus Samuel Becketts Gedichtband "Mirlitonnades" (Flötentöne)
bilden das inhaltliche Rückgrat der Inszenierung, drei romantisch-elegische
Kompositionen von Arvo Pärt ihr Herz, das die Lilith-Gestalten zu
stets neuen Kunstfertigkeiten zwischen Geburt und Tod antreibt.
"Traum ohne Enden" ist das radikale ästhetische Leitmotiv
der Aufführung wie die Matrix im Bewegungsrepertoire des Lilith-Ensembles.
Susanne Truckenbrodts Vision einer polymorph komplexen Weiblichkeit hat
viele Füße, um überall gleichzeitig sein zu können,
und viele Köpfe, um möglichst weit über den Tellerrand
des Üblichen schauen zu können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.
12. 2001, Irene Bazinger
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